Verwendung von Cookies
Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Drucken

Einkommensrunde 2019: Was bleibt vom Gehaltszuwachs?

Den letzten Gehaltsabrechnungen war zu entnehmen, was künftig von einem Einkommens-Plus von brutto 3,2 Prozent netto an Kaufkraft im Portemonnaie übrigbleibt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Seit Jahren hat sich die Politik vorgenommen, den sogenannten Mittelstandsbauch bei der Abgaben- und Steuerlast zu beseitigen, nur hat sie bislang nicht gehandelt.

Deshalb werden Durchschnittsverdiener stärker zur Kasse gebeten, als dies bei Beziehern von höheren Einkommen der Fall ist. Im Zweifel sind der Bundesregierung die Einnahmen doch wichtiger als eine gerechte Belastung der unterschiedlichen Einkommensgruppen. Betroffen sind auch die Bediensteten des Vollzuges, die eben auch zu der „berüchtigten“ Mittelschicht der Einkommensbezieher zählen.

Was wir rein intuitiv immer gefühlt haben, wird jetzt durch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft bestätigt: Angehörigen der Mittelschicht bleibt von einer Gehaltserhöhung weniger als 50 Prozent. Die Bundesrepublik Deutschland gehört damit zu den wenigen Ländern, die den Arbeitnehmern bei Abgaben und Steuern derart kräftig in die Tasche greifen.

Leistung lohnt sich nicht ausreichend

Bei der Belastung der Einkommen aus unselbständiger Arbeit ist zwischenzeitlich ein Zustand erreicht, der sich nachhaltig motivationshemmend auswirkt. Leistung lohnt sich speziell für die Angehörigen der Mittelschicht kaum noch, weil ihnen viel zu wenig netto verbleibt. Erst bei den Besserverdienern ist der Staat wieder nachsichtiger. Besonders misslich ist diese Entwicklung, weil die Europäische Zentralbank faktisch die Zinsen abgeschafft hat. Für den Staat bedeutet dies zusätzlichen finanziellen Spielraum, weil für die Schulden des Staates deutlich geringere Soll-Zinsen anfallen. Für die Sparer kommt die Abschaffung der Guthabenzinsen einer schleichenden Enteignung gleich, weil nicht einmal mehr die Teuerungsrate durch Zinserträge ausgeglichen werden kann. Die Guthaben werden folglich von Jahr zu Jahr schleichend entwertet und folglich immer weniger wert.

Der Mittelstand wird finanziell gegenwärtig ganz schön gebeutelt, weil der Staat diese Rahmenbedingungen seit Jahren einfach ignoriert und trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht zum Anlass nimmt, die objektiven Belastungen des Mittelstandes zu reduzieren.

Politik hat das Problem erkannt, handelt aber kaum oder nur zögerlich

Noch vor der letzten Bundestagswahl hatten alle Parteien unterschiedliche Konzepte zur Reduzierung dieser Belastungen entwickelt. Während die SPD Besserverdiener stärker zur Kasse bitten wollte, um Einnahmeausfälle zu vermeiden, sprachen sich CDU/CSU und FDP nur für die Anhebung der Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz (42 Prozent) auf 60.000 Euro aus. Geschehen ist bislang nichts und das wirkt sich für die Betroffen äußerst nachteilig aus.

Zwischenzeitlich haben wir bei Sozialabgaben und Steuern ein Niveau erreicht, das Normalverdiener stärker belastet als Gutverdiener. Einem Durchschnittsverdiener, der seinen Bruttoverdienst von 4.000 auf 4.100 Euro steigert, verbleiben nach Abzug aller Abgaben und Steuern 49,06 Euro netto mehr. Ein Gutverdiener, der sein Einkommen von 6.000 auf 6.100 Euro steigert, kann sich hingegen über ein Mehr von 51,77 Euro im Portemonnaie freuen. Zwar zahlt der Gutverdiener mehr Steuern, profitiert jedoch von der Beitragsbemessungsgrenze der Sozialversicherung.

Hohe Grenzbelastung ist leistungs- und wachstumshemmend

Nach Einschätzung der Wissenschaft wirkt sich eine hohe Grenzbelastung bei Steuern und Abgaben für jeden mehr verdienten Euro leistungshemmend aus, weil der Arbeitnehmer zu wenig netto in der Tasche hat. Diese hohe Belastung hat daher auch eine volkswirtschaftliche Komponente, weil sie sich wachstumsmindernd auswirkt. Hohe Grenzbelastungen mindern die Bereitschaft von Arbeitnehmern beispielsweise die Arbeitszeit auszudehnen, weil sich Leistung nicht zu lohnen scheint.

Noch in den 1960er und 70er Jahren war die Grenzbelastung deutlich geringer, weil Steuersätze und die Beiträge zur Sozialversicherung ein erheblich niedrigeres Niveau aufwiesen. Die jährlichen Teuerungsraten und Gehaltszuwächse haben dann im Zusammenspiel mit dem progressiven Steuertarif dafür gesorgt, dass der Staat dem arbeitenden Bürger immer stärker in die Tasche greift. Vor vierzig Jahren waren es nur wenige Hunderttausend Arbeitnehmer, die für Teile ihres Gehaltes den Spitzensteuersatz zu zahlen hatten. Zwischenzeitlich erreichen fast fünf Millionen Arbeitnehmer diese Grenze.

Der progressive Steuertarif hat für den Staat die unzweifelhaft positive Wirkung ständig steigender Einnahmen. Selbst die von Zeit zu Zeit vorgenommenen Reformschritte haben die Entwicklung nicht nachhaltig einzudämmen vermocht. Auch dank des Solidaritätszuschlages, der Mitte der 1990er Jahre zur Finanzierung der deutschen Einheit eingeführt worden war, haben wir derzeit eine geradezu rekordverdächtige Belastung erreicht.

Gewerkschaft muss Politik drängen, das Richtige zu tun

Steuerexperten halten die Beseitigung des „Mittelstands-Bauchs“ beim Einkommensteuertarif und die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages für zwingend, um zu einer gerechten Belastung des Mittelstandes zurückzufinden. Leider ist Gerechtigkeit nicht zum Nulltarif zu haben. Eine solche Entlastung würde sich auf jährlich 30 Mrd. Euro summieren. Die Politik hat deshalb keine große Neigung in dieser Frage übergroße Eile an den Tag zu legen, weil jedes Zögern den Euro im Staatssäckel klingeln lässt.

Es muss daher auch gewerkschaftliche Aufgabe sein, die Politik nachdrücklich in die Richtung zu stupsen, damit sie zumindest mittelfristig auch für den Mittelstand wieder gerechte Verhältnisse schafft. Immerhin hat sich Schwarz-Rot für das Ende der laufenden Legislaturperiode den Wegfall des Solidaritätszuschlages für 90 Prozent der Steuerzahler auf die Fahnen geschrieben, was allerdings auch dringend notwendig ist

Friedhelm Sanker

Stockwerk-Fotodesign/Fotolia.de