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Welche Form der Unterbringung ist für Nachwuchskräfte des Vollzuges zumutbar?

Diese Frage stellen sich nicht nur Betroffene, sondern auch die Personalverantwortlichen und Personalräte in den Vollzugseinrichtungen. Anlass hierfür boten zwei Ereignisse, die sich in den angemieteten Hotels in Hamm zugetragen haben. Die Hotels sind angemietet worden, um jene Anwärterinnen und Anwärter unterzubringen, die ihre theoretische Ausbildung in der Hammer Nebenstelle der Justizvollzugsschule NRW absolvieren.

Zu Beginn letzter Woche haben sich die erwähnten Vorkommnisse ereignet, die diese Etablissements für die Unterbringung von Auszubildenden als völlig ungeeignet erscheinen lassen.

Was war geschehen? In einem der u.a. für Vollzugsbedienstete reservierten Hotels fand in den frühen Morgenstunden des 1. Oktober 2019 eine gegen einen Rocker-Club gerichtete Razzia der Polizei statt. Von dieser Polizeiaktion waren auch Vollzugsbedienstete betroffen, die, unvermittelt aus dem Schlaf gerissen, vermummte Männer vor sich sahen und in die Mündungen von Waffen blickten. Sicher war dies eine bleibende Erfahrung für die Betroffenen, die bei etwas sensibleren Zeitgenossen durchaus zu psychischen Problemen hätte führen können.

Unterbringung ist allenfalls geeignet für Milieustudien

Der zweite Vorfall ereignete sich in einem zweiten Hotel, das im Erdgeschoss über eine Spielhalle verfügt und in dem auch Prostituierte dem Vernehmen nach ihrer Arbeit nachgehen sollen, was der Hotelbetreiber allerdings vehement bestreitet. Als mehrere Anwärterinnen und Anwärter auf der Suche nach einer Parkmöglichkeit den Hotelparkplatz befuhren, fragten sie einen dort angetroffenen Fahrzeugführer, ob er wegfahre. Dies veranlasste den Mann äußerst aggressiv zu reagieren, in dem er drohend auf die Anwärter zuging und im Befehlston erklärte, dass dies sein Privatparkplatz sei. Die Anwärter fuhren daraufhin eine Runde und fanden endlich einen Parkplatz. Eine Anwärterin machte Fotos von ihrem Auto, um dessen Beschädigungsfreiheit zu dokumentieren. Dieses Vorgehen hatte sie für sinnvoll gehalten, weil sich tags zuvor zwielichtige Zeitgenossen auf dem Parkplatz herumtrieben hatten.

Die Begleiterin des bereits erwähnten Fahrzeugführers rief der Anwärterin zu: „Ey, du Fotze, mach mal keine Fotos von mir!“ Die angesprochene Anwärterin erwiderte, dass sie von ihr keine Fotos gemacht habe. Der Fahrzeugführer sprang daraufhin aus einem Fenster der Spielhalle, die er zuvor betreten hatte, und schrie äußerst aufgebracht: „Ey, ihr Nutten, zieht eure Nutten zurück! Ich schlage auch Frauen; ich mache weder vor Männern noch vor Frauen Halt!“ Nach dieser Aggression rief einer der Anwärter die Polizei, die nach ihrem Eintreffen eine Anzeige aufnahm.

Es ist zu vermuten, dass der in Rede stehende Zeitgenosse durch sein Imponiergehabe sein Revier im Bereich der käuflichen Liebe behaupten wollte. In den Anwärtern des Vollzuges erblickte er offenbar eine Konkurrenz, die er als geeignet ansah, seine Geschäfte zu torpedieren.

Warnungen des BSBD wurden nicht ernst genommen

Bereits im Vorfeld hatte der BSBD Bedenken an das Ministerium der Justiz herangetragen, als er davon Kenntnis erhielt, dass die Hotels in Hamm in einem Bereich angesiedelt sind, den man gemeinhin als Rotlichtviertel bezeichnen kann. Ereignisse, wie die nun eingetretenen, die der BSBD für wahrscheinlich hielt, sind weder tolerierbar noch dürfen sie den Nachwuchskräften des Vollzuges zugemutet werden.

Das Ministerium erklärte, dass die eingegangenen Verträge verbindlich seien und ohne konkreten Anlass nicht verändert werden könnten. Folglich kam es, wie es nun gekommen ist. Die Leidtragenden sind die Anwärterinnen und Anwärter. Schon Albert Camus wusste: „Wer einfache Wahrheiten höflich-bestimmt nicht zur Kenntnis nimmt, dem werden sie auf drastischere Art und Weise vermittelt werden!“

Beide Hotels haben sich als ungeeignet erwiesen

Es mag sein, dass die Justizvollzugsschule NRW bei der Anmietung der Hotels vorrangig den finanziellen Aspekt und damit die Kosten im Blick hatte. Von einer verantwortungsvollen Schulleitung darf man jedoch erwarten, dass sie zuvor die Anforderungen an eine Unterbringung formuliert und festlegt und dabei großen Wert auf eine ruhige Wohnumgebung legt, die das Nacharbeiten der Stoffvermittlung und das Eigenstudium optimal begünstigt.

Bei den Hotels, die letztlich den Zuschlag erhielten, können solche Überlegungen keine Rolle gespielt haben. Deren Atmosphäre ist allenfalls geeignet Milieustudien zu betreiben, nicht aber den Lernerfolg der theoretischen Ausbildung optimal zu fördern. Die Anwärterinnen müssen beim Betreten der Flure außerdem mit verbalen sexistischen Übergriffen seitens osteuropäischer Montagearbeiter rechnen. Das ist ein Zustand, der keinesfalls hingenommen werden kann.

Menschen sind fehlbar, man darf aber zumindest Besserung erwarten

Bereits eine Inaugenscheinnahme der Unterkünfte und die Einholung einer Auskunft von der örtlichen Polizei hätten ausgereicht, um diesen Hotels die Eignung für die Unterbringung von Nachwuchskräften des Vollzuges abzusprechen. In dem es die Schule in diesem Fall an der erforderlichen Sorgfalt fehlen ließ, hat sie einen eklatanten Fehler begangen.

Menschen sind fehlbar, auch die Leitung der Justizvollzugsschule NRW. Ist ein Fehler aufgetreten, muss man allerdings erwarten dürfen, dass alles unternommen wird, um den Fehler zu beheben. Der BSBD hätte erwartet, dass geeignete Schritte eingeleitet werden, um Wiederholungsfälle ein für alle Mal auszuschließen. Dies hielt die Schule allerdings nicht für vordringlich. Folglich übte sie sich zunächst in der inquisitorischen Befragung der Betroffenen, anstatt diese vor neuerlichen belastenden Ereignissen angemessen zu schützen.

Selbst die Informationspolitik produziert Missverständnisse

Zudem scheint auch die Kommunikation zwischen Justizvollzugsschule NRW und Ministerium ins Stocken geraten oder fehlerhaft zu sein. Anders ist nicht zu erklären, dass dem grünen Landtagsabgeordneten Stefan Engstfeld auf seine informelle Nachfrage hin mitgeteilt wurde, alle Anwärterinnen und Anwärter seien in anderen Hotels untergebracht worden.

Es wäre schön, wenn es so wäre, und sich die Schule zunächst mit der Verbesserung der Unterbringungssituation beschäftigt hätte. Dies ist allerdings nicht der Fall. Lediglich ein Hotel, in dem der SEK-Einsatz stattfand, ist aufgegeben worden.

Wenn die Justizvollzugsschule NRW zur schnellen Verbesserung der Unterbringungssituation nicht willens oder nicht in der Lage ist, dann ist jetzt die Dienstaufsicht gefragt, korrigierend einzugreifen. Wenn es kein grundsätzliches Problem ist, die Unterbringungsverhältnisse kurzfristig zu verbessern, dies legt die Auskunft an den Abgeordneten Stefan Engstfeld immerhin nahe, dann erwartet der BSBD auch, dass umgehend entsprechend gehandelt wird.

Jetzt ist schnelles und richtiges Handeln gefordert!

Der Vollzug gibt gerade viel Geld aus, um geeignete Bewerberinnen und Bewerber für den Strafvollzug zu gewinnen. Da ist es kontraproduktiv, diese Bemühungen durch sehr fragwürdige Unterbringungsverhältnisse während der Ausbildung zu konterkarieren. Es wird zudem nicht sehr viele Berufsgruppen geben, bei denen sich die Verantwortlichen eine solche Fehlleistung erlaubt hätten. Und es ist kaum vorstellbar, dass die Verantwortlichen eine solche Unterbringung während ihres eigenen Urlaubs klaglos hingenommen hätten. Schnelles und vor allem sachgerechtes Handeln ist jetzt gefordert!

Friedhelm Sanker

Symbolfoto: Wikipedia.org