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Die unbekannten Helden!

Am 26. April 2020 jährte sich der Nuklearunfall von Tschernobyl zum 34. Mal. Um das Ereignis, dessen Ursachen und die Zahl der Opfer ranken sich Mythen, Anekdoten und Fake News. Nachdem die kommunistische Führung der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow reagierte, wie autokratische Staatenlenker immer reagieren, wenn sie Machtverlust befürchten, wurde getrickst und verschleiert, was das Zeug hielt.

Die Verantwortlichen vor Ort trauten sich nicht einmal, ihre Führung zutreffend zu informieren, weil sie negative Konsequenzen fürchteten. All diese Verwicklungen wollen wir nicht versuchen aufzulösen. Um diese Fragen haben sich ganze Hundertschaften von Wissenschaftlern bemüht, ohne letzte Klarheit in die Angelegenheit zu bringen. Wir möchten den Blick vielmehr auf drei Männer richten, die völlig unbekannt sind, denen die Bevölkerung Europas aber wohl ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Leben verdankt.

Reaktorblock 4 wurde voreilig in Betrieb genommen

Das Thema ist dieser Tage wieder virulent geworden, weil es rund um das Kernkraftwerk gebrannt hat. Welche Risiken damit für uns Europäer entstanden sind, lässt sich noch nicht abschätzen, allenfalls erahnen. Unzweifelhaft fest steht bislang, dass der Reaktorblock 4 Ende 1983 voreilig in Betrieb genommen wurde, um den Fertigstellungstermin einzuhalten. Letzte vorgeschriebene Tests wurde deshalb nicht vorgenommen, sondern auf die Zeit nach der Inbetriebnahme verschoben.

In der Nacht auf den 26. April 1986 wurde der Schichtleiter des AKW angewiesen, die Schnellabschaltung des Reaktors manuell einzuleiten. Getestet werden sollte, ob die Turbinen nach der Abschaltung noch so viel Strom erzeugen würden, um die Zeit bis zur vollen Leistungsentfaltung der Notstromaggregate zu überbrücken. Das Ergebnis des Tests ist bekannt.

Nachdem der Reaktorblock 4 explodiert war, lag der Reaktorkern frei und setzte eine hohe radioaktive Strahlung frei. Durch die Brandbekämpfung und Kühlung des Kerns hatte sich in den unter dem Reaktorgebäude liegenden Tanks Löschwasser gesammelt. Die Tanks waren nur noch durch eine meterdicke Betonschicht vom geschmolzenen Reaktorkern getrennt.

Es wurde eine riesige Dampfexplosion befürchtet

Da sich die Strahlenbelastung auf ganz Europa auswirkte, war die Schwere des Unfalls nicht länger zu leugnen. Vor welcher tödlichen weiteren Gefahr die Menschen in Europa sich damals befanden, ist jedoch nicht so richtig in unser Bewusstsein gelangt.

Die Abdeckung des Reaktorkerns durch den Abwurf von Sand, Blei und Borsäure war letztlich erfolgreich. Die enorme Hitze schmolz große Teile in Lava um. Und diese Lava begann, sich durch die Bodenabdichtung aus Beton zu fressen. Die Experten waren sich einig, dass es eine gewaltige Dampfexplosion geben werde, sobald die Lava die Wassertanks erreichen würde. In diesem Fall würden auch die benachbarten Reaktoren explodieren. Die Folgen wären gewaltig gewesen.

Wissenschaftler rechneten für diesen Fall damit, dass in einem Umkreis von 200 km kein Stein auf dem anderen bliebe und die Ukraine und Weißrussland unbewohnbar wären. Ganz Europa wäre einer enormen Strahlung ausgesetzt worden, die zu gravierenden gesundheitlichen Gefahren geführt hätte.

Um diesen Supergau zu verhindern, entschloss man sich, das Wasser aus den Wassertanks abzupumpen. Dafür war es erforderlich, eine Schleuse manuell zu öffnen. Es wurden drei ortskundige Männer gesucht, die durch das kontaminierte Wasser tauchen und den Öffnungsvorgang durchführen sollten.

Anananeko, Bezpalow und Baranow heißen die eigentlichen Heroen

Es fanden sich tatsächlich drei Männer bereit, ihr Leben für die Allgemeinheit zu riskieren: Anananeko, Bezpalow und Baranow. Ihre Überlebenschance wurde auf lediglich sieben Tage geschätzt. Sie tauchten durch das kontaminierte Wasser und Ihnen gelang die Ausführung des übernommenen Auftrages. Die Wassermassen konnten abgepumpt, eine Superexplosion konnte verhindert werden. Diese drei Männer sind durch ihre heroische Tat zu den wahren Helden des Nuklearunfalls geworden. Sie haben es verdient, dass jener Teil der Menschheit, den sie gerettet haben, ihre Namen zur Kenntnis nimmt und möglichst im Gedächtnis behält.

Daneben waren noch viele weitere Arbeitskräfte im Einsatz, die ihr Leben riskierten, um die Folgen des Unfalls zu minimieren. Die drei Genannten hebt aus dieser Schar jedoch der Umstand heraus, dass sie es waren, denen ein großer Teil der Bevölkerung Europas sein Weiterleben verdankt.

Zu den wenigen glücklichen Momenten des Nuklearunfalls gehört es, dass Anananeko, Bezpalow und Baranow ihren Einsatz überlebt haben. Zwei von ihnen leben bis auf den heutigen Tag. Ihr Kampf zur Verhinderung der bevorstehenden Dampfexplosion hat sie zu den eigentlichen Helden der Katastrophe gemacht. Der Autor jedenfalls ist diesen drei weitgehend unbekannten Männern zutiefst dankbar, dass sie ihm und seiner Familie und vielen Menschen in Europa das Weiterleben ermöglicht haben.

Friedhelm Sanker

Foto: BELIKOVA-stock.adobe.com