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Hände weg von der Altersversorgung!!

Die Corona-Pandemie verursacht gewaltige Kosten zu Lasten des Bundeshaushaltes. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich die Politik Gedanken über künftige Finanzierungsmöglichkeiten macht. Selbstverständlich erstrecken sich die Begehrlichkeiten auch auf Sozialleistungen und die Haushaltszuschüsse zur Rentenversicherung.

Fast alle politischen Parteien haben in ihren Programmen zur Bundestagswahl 2021 umfassende Renten- und Versorgungsreformen angekündigt. Da diese Reformen nach der Wahl sehr wahrscheinlich zu einer Zeit erwartbar knapper Kassen realisiert werden müssten, sind von den Gewerkschaften Aufmerksamkeit, Vorsicht und Widerstandsbereitschaft gefordert.

Nach den Hartz-IV-Reformen der seinerzeit rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist das Rentenniveau deutlich abgesenkt worden. Das Abrutschen in die Altersarmut sollte durch den Aufbau einer privaten Altersversicherung verhindert werden. Bislang ist dieser Ansatz krachend gescheitert. Die einzigen die profitiert haben, sind die Versicherungsgesellschaften. Die Rentenbezieher können sich glücklich schätzen, wenn sie künftig ihre eingezahlten Beiträge zurückerhalten. Die Versicherungen haben mit hohen Verwaltungskosten einen Großteil der eingezahlten Beiträge abgeschöpft.

SPD setzt auf Bürgergeld

Jetzt erklären die Parteien dem staunenden Publikum, dass künftig alles besser werden soll. Die SPD will ihr Trauma endlich überwinden und Hartz IV gänzlich abschaffen. An die Stelle des Arbeitslosengeldes II soll ein Bürgergeld treten. Dieses soll leichter zu beziehen sein. Es soll aber noch Mitwirkungspflichten der Bezieher beinhalten, jedoch vollständig auf Hilfe und Ermutigung setzen. „Unwürdige Sanktionen“ gegen nicht kooperative Bezieher soll es künftig nicht mehr geben.

Einen tatsächlichen Vorteil sehen die Vorstellungen der Sozialdemokraten allerdings vor, nämlich die Einführung einer Karenzzeit. In den ersten zwei Jahren sollen Vermögen und Wohnungsgröße nicht überprüft werden, so dass man sich zunächst um Erspartes und Wohnsituation keine Sorgen machen muss.

Und auch das Schonvermögen, dass beim Bürgergeld nicht angetastet wird, soll erhöht werden. Vermögen bis zu 60.000 Euro soll nicht angerechnet werden. Für jedes weitere Haushaltsmitglied erhöht sich das Schonvermögen um 30.000 Euro.

CDU/CSU will auf Sanktionsmöglichkeiten nicht verzichten

Bislang haben CDU und CSU noch kein Wahlprogramm vorgestellt. Die aktuellen Diskussionen lassen jedoch die Tendenz erkennen, dass auch CDU/CSU Hartz IV reformieren will. Dabei soll allerdings am bisherigen Grundsatz „Fördern und fordern“ festgehalten werden. Die Leistungen müssen immerhin finanziert werden und deshalb sollen nach dem Willen der Fraktionsgemeinschaft Sanktionsmöglichkeiten nicht aufgegeben werden. Sanktionen sollen greifen, wenn Langzeitarbeitslose Jobangebote konsequent ablehnen.

Die CDU/CSU sieht zusätzlichen Reformbedarf bei Alleinverdienern. Beziehen sie Arbeitslosengeld II soll die Hinzuverdienstgrenze spürbar erhöht werden. Hiermit sollen Anreize geschaffen werden, wieder in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zurückkehren zu können.

Grüne favorisieren eine Grundsicherung

Die Grünen wollen Hartz IV durch eine Grundsicherung ersetzen. Sanktionen im Fall von mangelnder Kooperationsbereitschaft sollen der Vergangenheit angehören. Der Regelsatz und die Höhe des erlaubten Zuverdienstes sollen erheblich steigen. Die Linke plädiert schon lange für die Abschaffung von Hartz IV. Ihr schwebt vor, statt auf Arbeitslosengeld II eine Mindestsicherung einzuführen. Diese Leistung soll sanktionsfrei gewährt und nicht gekürzt werden können.

FDP will Hartz IV durch Bürgergeld ersetzen

Die FDP setzt ebenso wie die SPD auf ein Bürgergeld. Dieses soll Hartz IV, die Grundsicherung im Alter, Hilfe zum Lebensunterhalt und Wohngeld kombinieren. Durch einen einheitlichen Regelsatz strebt die FDP an, die Bürokratie erheblich zu verringern. Die Höhe des Zuverdienstes und das Schonvermögen sollen auch bei den Freidemokraten steigen. Zudem soll das Bürgergeld anteilig auch als Lohnkostenzuschuss an Unternehmen gezahlt werden können. Durch diesen Ansatz soll die Einstellung vornehmlich von Langzeitarbeitslosen gefördert werden.

Die Parteien halten umfassende Rentenreform für unumgänglich

Angesichts des demografischen Wandels sehen fast alle Parteien bei der Rente Handlungsbedarf für umfassende Reformschritte. Die Deutsche Rentenversicherung hat im Jahr 2019 für Rentenzahlungen rd. 328 Milliarden Euro ausgegeben. Die Zahl der Rentner stieg innerhalb eines Jahres um 86.000 Personen.

Gleichzeitig nimmt die Zahl der Beitragszahler von Jahr zu Jahr ab. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass es bereits einige Reformschritte bei der Rente gegeben hat. Das Renteneintrittsalter wird schrittweise auf die Vollendung des 67. Lebensjahres angehoben. Die Rentenformel ist in der Weise verändert worden, dass die Renten seither weniger stark steigen als die Löhne und Gehälter. Die Rente mit 63 für langjährige Einzahler in die Rentenversicherung sowie eine Grundrente wurden eingeführt. Die Bescheide über die Höhe der Grundrente werden im Juli 2021 zugestellt.

CDU und die Rente: Mittelstands- und Wirtschaftsunion will Rente mit 63 wieder abschaffen

Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union, hat bereits angekündigt, dass im Fall eines Wahlsieges parteiübergreifend eine große Rentenreform auf den Weg gebracht werden müsse, um die Rente für einen längeren Zeitraum zukunftsfest zu machen.

Er denkt dabei an einen Zeitraum von 15 Jahren, für die das System zunächst stabilisiert werden müsse. Einzelheiten sind bislang noch nicht durchgedrungen. Lediglich die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) innerhalb der CDU/CSU hat sich dahingehend positioniert, dass sie die Rente mit 63 abschaffen will und sich für einen langsameren Anstieg der Renten ausspricht. Zudem soll das Renteneintrittsalter an die weiter steigende Lebenserwartung gekoppelt und die Riester-Rente vereinfacht werden. Ob sich die CDU-Untergliederung mit diesen Vorstellungen in der gesamten Union durchzusetzen vermag, gilt als fraglich.

SPD und Grüne wollen Rentenniveau bei 48 Prozent halten

Die SPD beabsichtigt, die Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung umzugestalten. Alle Bürger sollen künftig in die Rentenversicherung einzahlen, auch Beamte, Freiberufler und Selbständige.

Die Sozialdemokraten hoffen, dass durch diese Maßnahmen das Rentenniveau und das Verhältnis, wie sich die Rente im Vergleich zum Durchschnittseinkommen entwickelt, bei 48 Prozent des Bruttolohns gehalten werden kann. Eine nochmalige Anhebung des Renteneintrittsalters ist nicht vorgesehen. Daneben plant die SPD eine grundlegende Reform der „Riesterrente“. Durch Vermeidung von Bürokratie soll mehr Geld für jeden Einzahlenden übrigbleiben.

Auch die Grünen planen, dass mehr Bürger in die Rentenversicherung einzahlen sollen. Zunächst ist vorgesehen, Selbstständige und Abgeordnete in die Rentenversicherung aufzunehmen, später sollen auch Beamte in das Rentensystem übernommen werden. Das Rentenniveau soll 48 Prozent des Bruttolohns eines Durchschnittsverdieners nicht unterschreiten; das Renteneintrittsalter soll bei 67 Jahren festgeschrieben werden. Die Grünen wollen die Riester-Rente abschaffen und durch einen Bürgerfonds ersetzen, der zusätzlich zur staatlichen Rentenversicherung Auszahlungen bewirkt.

 

FDP spricht sich für Aktienrente aus - Die Linke will Rentenniveau auf 53 Prozent anheben

Die FDP plant zusätzlich zur klassischen Rente die Einführung einer Aktienrente auf gesetzlicher Grundlage. Danach soll ein Teil der Rentenzahlungen in einen unabhängigen Fonds fließen, der die Beiträge an den Finanzmärkten investiert. Nach Einschätzung der FDP ließen sich so höhere Auszahlungen für Rentner erzielen. Zudem soll jede Person ab dem 60. Lebensjahr selbst entscheiden können, wann sie in Rente geht. Entsprechende Abschläge von der Rente sollen durch Zusatzverdienste kompensiert werden können.

Die Linke plant die Anhebung des Rentenniveau auf 53 Prozent. Rentenkürzungen sollen zurückgenommen und das Renteneintrittsalter soll gesenkt werden. Auch die Linke spricht sich dafür aus, Beamte, Abgeordnete und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung aufzunehmen. Weil die Renten von Frauen und allen Menschen, die zu niedrigen Löhnen arbeiten, sicher Altersarmut verursachen, sollen diese Renten aufgewertet werden.

Was ist jetzt von diesen Vorstellungen und Planungen zu halten?

Alle im linken Politikspektrum verorteten Parteien streben eine Vereinheitlichung der Alterssicherung an. Lediglich die CDU unterlässt bislang entsprechende Festlegungen. Dabei ist auch dort eine Politikergeneration herangewachsen, die offenbar die Stabilität eines auf dem Berufsbeamtentum fußenden öffentlichen Dienstes nicht mehr so zu schätzen weiß wie ihre Vorgänger. Dabei hat sich gerade in der Zeit der Corona-Pandemie gezeigt, dass der öffentliche Dienst das Funktionieren des Staates exzellent bewältigt hat.

Und dann ist da noch der Bereich der Inneren Sicherheit, dem wir uns auch zugehörig fühlen. Wollen wir künftig Vollzugs-, Polizeibeamten oder Feuerwehrkräften die Aufrechterhaltung der Sicherheit zumuten, ohne sie sozial vernünftig abzusichern? Sollte die Politik diesem Trugschluss erliegen, wird sie sehr schnell die Erfahrung machen, dass geeignete Nachwuchskräfte für den öffentlichen Dienst kaum mehr zu interessieren sind.

Ich kann diesen Sicherheitskräften nicht auf der einen Seite erhebliche gesundheitliche Risiken aufbürden und zumuten, die viele Bevölkerungsgruppen zu tragen nicht bereit sind, um sie im Schadensfall ohne ausreichende finanzielle Absicherung ihrer Existenz im Regen stehen zu lassen

 

 

Finanzierung der Alterssicherung benötigt neue Ansätze

Die Überlegung der Parteien durch die Einbeziehung der Selbständigen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung gleich zwei Probleme zu lösen, nämlich die Pensionslasten zu senken und die Finanzierung der Rentenversicherung zu verbessern, führt zu keiner realistischen Problemlösung. Einerseits lässt sich das grundgesetzlich garantierte Versorgungsrecht nicht einfach aufkündigen, andererseits würden sich die Finanzierungsprobleme der Rente nur sehr kurzfristig lindern lassen, weil mittelfristig Ansprüche der „neuen Mitglieder“ finanziert werden müssten. Nach Expertenschätzung würde die Erweiterung des Versichertenkreises die Tragfähigkeitslücke der Rentenversicherung keinesfalls schließen.

Der Kernfrage weichen diese Überlegungen im Übrigen gekonnt aus: Wie kann in einer alternden Gesellschaft die Finanzierung der Alterssicherung garantiert werden? Dafür wäre es notwendig, nicht nur die Arbeit als paritätischen Kostenträger in den Blick zu nehmen, sondern nach Alternativen Ausschau zu halten.

Die Digitalisierung wird in den kommenden Jahren zum Wegfall vieler Arbeitsplätze führen, auch die gegenwärtige Pandemie wird Beschäftigungsmöglichkeiten kosten. Da wäre es sinnvoll, andere Finanzierungsmöglichkeiten in die Überlegungen einzubeziehen. Diesen Mut haben die Politiker bislang nicht aufgebracht, vermutlich um die in Deutschland in etlichen Branchen bereits recht hohen Produktionskosten nicht weiter ansteigen zu lassen.

Ist die Rente wirklich unfinanzierbar geworden?

Mit dieser Frage haben sich schon Rentenkommissionen herumgeschlagen, ohne zu gemeinsamen oder noch besser tragfähigen Lösungen zu gelangen. Diese Kommissionen konnten einige Fragen klären. Vieles blieb aber auch im Nebel von Interessen und Fakten unsichtbar. Der Koblenzer Mathematiker, Prof. Dr. Gerd Bosbach, hat darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Logik, eine höhere Lebenserwartung, mehr Rentner und ein geringerer Jugendanteil müsse zwangsläufig zu sozialen Einschnitten führen, im Rückblick auf das zurückliegende Jahrhundert nicht als belastbar erwiesen hat. Die demografische Verschiebung sei groß gewesen. Aber trotz massiven Ausbaus des Sozialstaates bei gleichzeitiger Verkürzung von Lebens-, Jahres- und Wochenarbeitszeit sei das Sozialsystem nicht überstrapaziert oder überdehnt worden.

Nach Auffassung des Statistikers Bosbach wird bei demografischen Zukunftsbetrachtungen oftmals mit statistischen Tricks gearbeitet, um angsterregende Zahlen zu erzeugen. Kleine jährliche Veränderungen würden über viele Jahrzehnte zusammengefasst und selbst für das Jahr 2060 werde noch ein Renteneintrittsalter von 65 Jahren angenommen.

Menschen, die ein Interesse an Rentenkürzungen und mehr privaten Versicherungen haben, argumentieren mit den wachsenden Ausgaben der Rentenversicherungen in absoluten Euro-Beträgen. Im Jahr 2000 mussten 214 Milliarden Euro aufgewendet werden. Diese Ausgaben sind bis zum Jahr 2018 massiv auf 308 Milliarden Euro gestiegen. Für sich allein betrachtet, ist das eine furchteinflössende Entwicklung. Übersehen wird dabei allerdings, dass parallel dazu die Preise und auch unser Wohlstand krass gestiegen sind.

Nicht die absoluten Zahlen sind der Maßstab, sondern unser Wohlstand!

Vernünftiger ist es da nach Ansicht von Experten, den Blick darauf zu richten, wie viel unseres Wohlstandes wir jährlich für die Alterssicherung aufwenden. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) haben wir im Jahr 2000 bei einer deutlich geringeren Zahl an Ruheständlern 10 Prozent des BIP für die Alterssicherung aufgebracht. Im Jahr 2018 waren es trotz der in absoluten Zahlen deutlichen Mehrausgaben aber nur 9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das wir für den Rente ausgegeben haben. Im Zeitraum von 2000 bis 2018 ist unser Wohlstand eben um mehr als 50 Prozent von 2,1 auf 3,35 Billionen Euro angewachsen. Wir haben für fast alle Bereiche mehr ausgegeben. Warum soll es dann bei der Rente kein Wachstum geben?

Von einer Unbezahlbarkeit der Alterssicherung kann in keinem Fall gesprochen werden, obwohl unsere Gesellschaft altert. Schauen wir uns aber mal die Bevölkerungspyramiden anderer Staaten an, dann stellen wir fest, dass nicht die Länder mit junger Bevölkerung, sondern jene mit älterer Bevölkerung die wohlhabenden sind. Und jetzt stellt sich noch die Frage, wo das eine Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das wir gegenüber dem Jahr 2000 weniger für die Rente aufgewendet haben, geblieben sein könnte. Es handelt sich immerhin um 33,5 Milliarden Euro. Wir wissen es nicht genau. Zu vermuten ist allerdings, dass das Geld auf den Konten der Reichen und Schönen unserer Gesellschaft gelandet sein dürfte.

Friedhelm Sanker

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