Verwendung von Cookies
Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Drucken

Der Aufbaulehrgang des Fahrsicherheitstrainings vermittelte den Kolleginnen und Kollegen neue Fertigkeiten, Erkenntnisse und Einsichten.

JVK Fröndenberg absolviert Fahrsicherheitstraining der besonderen Art

Um sich angemessen auf problematische, plötzlich auftretende Verkehrssituationen vorzubereiten, ist ein Fahrsicherheitstraining eine gute Investition. Nachdem die Grundlehrgänge bereits nachhaltige und bleibende Erkenntnisse vermittelt hatten, stand jetzt ein Aufbautraining auf der Agenda. Nach Trainingsabschluss stand für die Teilnehmer fest, dass sich der betriebene Aufwand gelohnt hat. Selbst die besten Fahrerinnen und Fahrer wurden an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gebracht.

Schon bei der Planung der einzelnen Trainingseinheiten mit den Fahrsicherheitstrainern wurde den Teilnehmern bewusst, dass ihnen eine große Herausforderung bevorstand. Die Trainer des ADAC hatten die einzelnen Übungen so geplant, dass sie speziell auf den einzelnen Fahrer und dessen individuelle Fähigkeiten zugeschnitten waren. Wegen der doch beachtlichen Anforderungen an die Fahrtechnik mussten alle Teilnehmer zuvor zweimal an Grundlehrgängen teilgenommen haben.

Am Trainingstag machte sich gegen 9:00 Uhr eine Kolonne von Vollzugsfahrzeugen auf, um das ADAC-Übungsgelände in Rüthen zu erreichen. Trotz frischer Außentemperaturen von 8° C waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gut gelaunt und voller Vorfreude auf die anstehende Trainingseinheit.

Instrukteure steigen gleich in die Praxis ein

Bei der Ankunft auf dem Übungsgelände wartete zunächst eine Überraschung auf die Kolleginnen und Kollegen. Waren wir es bislang gewohnt, zunächst über Fahrphysik informiert und mit der integrierten Gefahrenlehre vertraut gemacht zu werden, erklärten die Instruktoren Björn Klare und Peter Knülle nach freundlicher Begrüßung und der Verteilung der Fahrzeuge: „Den theoretischen Teil ersparen wir uns heute! Jetzt ist es an der Zeit, das Erlernte abzurufen und in praktisches Können zu transferieren.“ Das war eine Direktive, die hatte gesessen. Bei dem ein oder anderen war sie ursächlich für ein etwas mulmiges Gefühl. Die Ansage sorgte allerdings auch für erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentration, was die Trainer wohl vorrangig im Sinn hatten.

Mit Spannung, aber auch einer gehörigen Portion Respekt ging es in die erste Übung. Mit einem Tempo von 90-100km/h sollte bei einer Bergab-Fahrt mit einem 8-prozentigen Gefälle in einer Linkskurve eine kontrollierte Vollbremsung vollführt werden. Die technischen Komponenten Antiblockiersystem (ABS) und Antischlupfregelung (ASR) sowie die in den Grundlehrgängen erworbenen Fähigkeiten standen für die Bewältigung der Trainingseinheit zur Verfügung. Jetzt kam es noch darauf an, sich selbst und seinen Fähigkeiten zu vertrauen.

Schnell zeigte sich, dass Vorsicht beim Vorwagen auf unbekanntes Terrain ein guter Ratgeber ist. Deshalb machten sich die Kolleginnen und Kollegen mit Bedacht und anfangs auch zögerlich daran, sich an die vorgegebene Geschwindigkeit heranzutasten. Gefangenentransportwagen haben ein Gewicht von rund 2,4 Tonnen, Krankentransportwagen bringen immerhin 3,9 Tonnen auf die Waage. Da muss schon alles passen, wenn man bei einer Geschwindigkeit im geforderten Bereich „in die Eisen tritt“. Folglich hangelten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer langsam an die geforderte Geschwindigkeit von 90 km/h heran. Im ständigen Funkkontakt mit den Trainern erfolgte für jeden Fahrer eine direkte Auswertung seiner Übungsfahrt. Für die nächst Runde wurden ihm sachdienliche Verbesserungsvorschläge übermittelt. Es war schon erstaunlich, wie schnell die Kolleginnen und Kollegen nach einer nur kurzen Eingewöhnungsphase das in den Grundlehrgängen erworbene Wissen und Können abrufen und fahrtechnisch anwenden konnten.

„Glatteisfahrt“ war eine besondere Herausforderung

Nach einer kurzen Pause erfolgte eine Nachbesprechung, an die sich direkt die Instruktionen für die nächste Übung anschlossen. Simuliert werden sollte eine Bergab-Fahrt auf Glatteis. Zudem sollte das Ausweichen vor automatisch auftauchenden Wasserhindernissen geübt werden. Und das alles bei einer Geschwindigkeit von 50 und später von 70km/h. Die Übung verlangte blitzschnelles Reagieren und absolute Kontrolle über die Intensität der eigenen Reaktion. Anders konnten die plötzlich aus dem Boden schießenden Wasserhindernisse nicht umfahren werden. Gefordert war hier zwar in erster Linie der Fahrer, aber ohne Antiblockiersystem und dem Elektronischen Stabilitätsprogramm wäre diese Übung wohl kaum zu bewältigen gewesen.

„Als nächstes wollen wir das uns schon bekannte Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) in praktischen Übungen besser kennenlernen,“ erklärten die beiden Trainer. Ziel der Übung war es, bis auf 50km/h zu beschleunigen und auf nasser Fahrbahn in einer Linkskurve das Unter- oder Übersteuern des Fahrzeugs zu erreichen, damit das ESP stabilisierend eingreifen konnte. Beim Ausbrechen der Hinterachse ist nämlich auch der Fahrer gefordert, die Technik erledigt diese Arbeit nicht von allein. Er muss kontrolliert gegensteuern und die Geschwindigkeit vorsichtig drosseln. Beim abrupten Abbremsen würde der Lastwechsel ein starkes Ausbrechen des Fahrzeugs über die Hinterachse bewirken. Auch beim Untersteuern, das Schieben des Fahrzeugs über die Vorderachse, zeigten sich die Kolleginnen und Kollegen gut vorbereitet und hielten ihre Fahrzeuge gekonnt in der Spur.

Slalomparcours verlangte hohe Konzentration und blitzschnelle Reaktion

Anschließend hielten die Instruktoren eine besondere Herausforderung bereit. Die Bewältigung eines Slalomparcours mit erhöhten Geschwindigkeiten in einer Kolonne stand auf dem Programm. Es waren kurze Abstände in simulierten Stresssituationen einzuhalten. Dabei war äußerste Vorsicht geboten. Während der Kolonnenfahrt über das gesamte Übungsgelände wurden die Teilnehmer unausgesetzt mit Anweisungen bombadiert, um Stress und hohe Konzentration hervorzurufen. „Blaulicht an!“, „Fensterscheibe des Beifahrers runter!“, „Warnblinklichtanlage an!“ oder „Blaulicht wieder aus!“, lauteten die durchzuführenden Aufgaben. Trotz hoher Konzentration während der zügigen Fahrt und der kurzen Abstände stellten bereits einfachste Aufgaben eine beachtliche Herausforderung dar. Es war gar nicht so einfach, in einer Slalomfahrt, bei der der Blick des Fahrers auf das nächste Hindernis gerichtet ist, den richtigen Schalter zu finden und ihn gleichzeitig zu betätigen. Der eine oder andere Leitkegel wurde schon touchiert. Die Grenzen der Leistungsfähigkeit wurden so deutlich und erkennbar.

Die Kolleginnen und Kollegen tragen im Fahrdienst des Justizvollzugskrankenhauses NRW generell Schutzwesten. Die Verwendung dieser Westeneingesetzt wurde in den verschiedenen Extremsituationen getestet. Da die Schutzwesten leicht sind und individuell angepasst werden können, ist die Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt. Im Gegenteil: Bei einer Vollbremsung oder beim Aufprall nach einem Unfall drückt der Sicherheitsgurt nicht direkt auf den Oberkörper, sondern der Druck wird durch die Schutzweste aufgefangen, was einen durchaus positiven Effekt hat, weil sich Verletzungen durch den Gurt so vermeiden lassen.

„Rauschbrille“ vermittelte unerwartete Einsichten über die Wirkung von Alkohol

Zum krönenden Abschluss erfolgte auch noch der Einsatz der VR-Brillen, mit der ein Zustand von bis zu 1,2 Promille im Blut simuliert werden kann. Sowohl die verzögerte Reaktionszeit als auch die Fehleinschätzungen von und Entfernungen zeigte uns, wie verheerend sie bereits wenige Promille auf Reaktion und Fahrkönnen auswirken. Mit aufgesetzter „Rauschbrille“ sollten die Probanden zuerst einen Gegenstand auffangen. Hierbei gingen die meisten Fangversuche ins Leere. Die Sicht wird durch ein verzerrtes Bild erschwert und durch den auftretenden Tunnelblick noch weiter eingeschränkt. Die Teilnehmer erlebten dadurch eine begrenzte Rundumsicht, die sich schon im Schritttempo gravierend bemerkbar machte. Dies war interessant und erschreckend zugleich. Natürlich sorgten die Übungen auch für jede Menge „Lacher“ aufgrund spektakulärer Fehlreaktionen, die sich regelmäßig einstellten.

Am Ende des Trainings erfolgte gegen 16:30 Uhr das obligatorische Abschlussgespräch. Alle Kolleginnen und Kollegen hatten den strapaziösen, anstrengenden, aber überaus lehrreichen Aufbaulehrgang mit Bravour bestanden. Erschöpft, aber immer noch gut gelaunt, erfolgte dann die Rückverlegung der Kolonne in das Justizvollzugskrankenhaus.

Dieses außergewöhnliche Training ist mit einem normalen Fahrsicherheitstraining nicht zu vergleichen und hat uns und die Fahrzeuge an die Grenzen des physikalisch Möglichen gebracht. Auch durch das Zusammenspiel der uns schon bekannten Trainer Björn Klare (Polizist) und Peter Knülle (Rennfahrer) war das Training sehr praxisorientiert und perfekt auf unsere Bedürfnisse und Wünsche zugeschnitten. Das Training ist jedoch nur empfehlenswert für erfahrene Teilnehmer. Ein großer Dank gilt den Verantwortlichen des Justizvollzugskrankenhauses NRW, die diese externe Fortbildung in vieler Hinsicht unterstützt haben.

Michael Mentel

Fotos im Beitrag © Michael Mentel / JVK FRöndenberg