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Die Strategie der Verteidigung, durch Foltervorwürfe öffentlichen Druck aufzubauen, ist zumindest teilweise aufgegangen.

Middelhoff bald auf freiem Fuß?

Die Strategie der Middelhoff-Verteidigung, den prominenten Namen ihres Mandanten zu instrumentalisieren, um eine „Schmutzkampagne“ gegen den Strafvollzug loszutreten, hat zumindest zu einem Teilerfolg geführt. Das Landgericht Essen hat gestern zwar betont, dass eine Haftunfähigkeit wegen der Erkrankung Middelhoffs auch nach eingehender Prüfung und Anhörung zweier behandelnder Ärzte zu verneinen sei und dass es für einen möglichen Zusammenhang zwischen der Autoimmunerkrankung und dem behauptetem »Schlafentzug in der JVA Essen« keinerlei Anhaltspunkte gebe, trotzdem sei der Haftbefehl aufzuheben, auch wenn weiter Fluchtgefahr bestehe. Durch die erlittene U-Haft, die Erkrankung und die reduzierte Reststrafzeit habe sich das Fluchtrisiko reduziert, so dass Auflagen ausreichend seien, um zu verhindern, dass sich der Ex-Manager dem Verfahren entziehe.

Dr. Thomas Middelhoff, der gegenwärtig in der behandelnden Klinik durch Vollzugsbedienstete bewacht wird, muss jetzt 895.000 Euro Kaution auftreiben, seine Reisepässe abgeben und sich nach der Entlassung mehrmals wöchentlich bei der Polizei melden. Erst wenn diese Auflagen erfüllt sind, kann die Bewachung im Krankenhaus beendet werden.

Dieser Fall hat einmal mehr gezeigt, dass Prominenz Fluch und Segen zugleich sein kann. Im Strafverfahren hat Middelhoff die Bekanntheit seines Namens sicherlich nicht genutzt, weil die Öffentlichkeit Nachsicht wohl nicht verstanden hätte. Andererseits wäre es einem weniger bekannten Gefangenen wohl kaum möglich gewesen, durch den erhobenen Foltervorwurf gegen den Vollzug eine derart hysterische öffentliche Diskussion auszulösen, wie es der Verteidigung des Ex-Arcandor-Chefs unschwer möglich war.

Den neuerlichen Haftprüfungsantrag mit Folterwürfen zu „garnieren“, wie es die Middelhoff-Verteidigung tat, ist mehr als unredlich, wer wüsste das besser, als Middelhoff selbst? Da ist es gut, dass sich zwischenzeitlich auch das NRW-Justizministerium zu Wort gemeldet hat. Für die heutige Sitzung des Rechtsausschusses hat das Ministerium die Fakten zusammengetragen. Danach habe sich Middelhoff in den Wochen seiner wegen Suizidgefahr angeordneten nächtlichen Überwachung in der JVA Essen gegenüber den Bediensteten nicht beschwert. Einen mehrfach angebotenen Wechsel in eine Gemeinschaftszelle mit einem zuverlässigen Mitgefangenen habe er »nachdrücklich« abgelehnt. Der 61-Jährige habe fast ständig Kontakt mit dem psychologischen Dienst gehabt und mehrfach geäußert, er fühle sich »gut aufgehoben« und »schätze die Art und Weise des Umgangs der Bediensteten mit ihm«.

Politiker und Wissenschaftler, die nur zu schnell bereit waren, einen neuerlichen Justizskandal zu wittern und den Vollzug ohne vernünftige Prüfung der Fakten an den Pranger zu stellen, müssen sich fragen lassen, ob das, was sie in diesem Fall veranstaltet haben, noch etwas mit der seriösen Wahrnehmung der ihnen übertragenen Ämter zu tun hat. Wir vom BSBD meinen, speziell die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Renate Künast, sollte sich einmal hinterfragen, ob die öffentliche Präsentation ihrer eigenen Person die Diffamierung eines ganzen Berufsstandes zu rechtfertigen vermag?

Abschließend bleibt zu hoffen, dass in der heutigen Sitzung des Rechtsausschusses des NRW-Landtages das rechtmäßige und humane Handeln der Bediensteten der Justizvollzugsanstalt Essen von allen Landtagsfraktionen definitiv festgestellt wird.

Foto im Beitrag © dpa/picture alliance